Res Marty, Präsident der Joachim Raff Gesellschaft
Der in Lachen geborene und aufgewachsene Joachim Raff komponierte seine 6. Sinfonie (von insgesamt 11 Sinfonien) im Jahre 1873 in seiner produktionsreichsten Phase in Wiesbaden. Raff war in dieser Zeit bereits selbständiger Komponist und konnte von seinen sehr erfolgreichen Kompositionen und Dirigaten leben. Er war inzwischen weltberühmt, seine früheren Werke, besonders seine dritte, die Waldsinfonie und die fünfte, die Lenoren Sinfonie wurden in ganz Europa und Übersee gefeiert. So war er ziemlich unter Druck, wieder ein erfolgreiches Werk zu schaffen.
Die 6. Sinfonie ist betitelt mit: ‚Gelebt: Gestrebt, Gelitten, Gestritten, – Gestorben, – Umworben‘. Dieses Ideal wurde auch zum Lebensmotto von Raff. Er war überzeugt, dass sein Ruf erst nach seinem Tode völlig zum Durchbruch komme und er während seiner Lebenszeit nicht verstanden werde. Bekanntermassen kam es dann genau umgekehrt. Im ersten Satz zeigt Raff die ernste, vielleicht auch traurige Seite des Strebens nach Anerkennung, Verständnis und Erfolg. Im zweiten Satz versucht er dies mit Humor und Witz zu verarbeiten. Im dritten Satz hört man eine eigentliche Totenklage für den verstorbenen und auch vergessenen Künstler und der letzte Satz löst die Spannung auf, indem die Nachwelt entdeckt, dass die Werke des Künstlers doch hörenswert und bedeutungsvoll sind.
Die Sinfonie in d-Moll beginnt mit einem Allegro non troppo, wechselt im zweiten Satz zu einem Vivace um im dritten Satz zu einem Larghetto zu gehen. Mit dem vierten Satz endet die Sinfonie mit einem Allegro con spirito.
Die Sinfonie ist traditionell als viersätziges Werk aufgebaut. Der langsame Satz kommt bei Raff an dritter Stelle. Vor allem auch im ersten Satz zeigt Raff seine hervorragende Kompositions- und Instrumentaltechnik. Er kombiniert die Instrumente immer wieder neu und bringt damit viel Farbe in die Musik. Interessant ist das schnelle und unterhaltsame Finale des ersten Satzes. Interessant und melodiös ist der zweite Satz. Er erinnert an Mendelssohns Sommernachtstraum. Der Trauermarsch, als dritter Teil ist gemessen, eher langsam und im Fugenteil hört man Raffs bekannte Stärke als Kontrapunktiker. Und im vierten Satz zeigt er sich wieder als hervorragender Instrumentator und nochmals als gewieften Kontrapunktiker, der souverän und virtuos seine Musik erleben lässt. Interessant sind auch noch die verschiedenen Tonartwechsel von Dur zu Moll und wieder zurück innerhalb der einzelnen Sätze.
Das Werk wurde am 21. Oktober 1874 durch die königliche Hofkapelle unter Leitung von Wilhelm Taubert in Berlin uraufgeführt. 14 Tage später nochmals in Berlin, aber unter Leitung von Bernhard Bilse. Bereits am 16. November des gleichen Jahres dirigierte Joachim Raff persönlich die Sinfonie in Weimar im berühmten Hoftheater anlässlich eines Konzertes mit Werken ausschliesslich von ihm selbst.
Ein Jahr früher wurde Raff zeitgleich mit Richard Wagner und Franz Liszt Ehrenmitglied der New Yorker Sinfoniker. Er wurde in dieser Zeit auch sonst mit Ehrungen überhäuft, z.B. wurde er 1872 von der Akademie des Realo Istituto Musicale Florenz ebenfalls zum Ehrenmitglied erkoren, und gleichermassen auch vom Tonkünstlerverein Dresden. Raff wurde in dieser Zeit auch als Gründungsdirektor einer Musikhochschule in Wiesbaden gehandelt. Die Idee zerschlug sich, aber Raff wurde nur drei Jahre später Hochschuldirektor in Frankfurt a.M.
Giovanni Bria führt diese Sinfonie erstmals in Lachen auf. Das darf als ein besonderes musikalisches Ereignis für den Geburtsort von Joachim Raff bezeichnet werden.
Ungefähr in der gleichen Zeit wie die Sinfonie Nr. 6 wurde auch Raffs Cellokonzert, das er dem damals berühmten Cellisten Friedrich Grützemacher widmete, geschaffen und 1874 in Dresden unter Leitung von Julius Rietz aufgeführt. Bekanntlich wurde dieses Werk im Oktober 2012 in Lachen mit dem inzwischen berühmten jungen, damals 18 jährigen Cellisten Christoph Croisé aufgeführt. Auch damals leitete Giovanni Bria dieses denkwürdige Konzert in Lachen.
Es gibt übrigens zwei CD-Einspielungen: Bei Marco Polo/Naxos mit der Slovakischen Staats Philharmonie unter Leitung von Urs Schneider und bei TUDOR (7108) mit den Bamberger Symphoniker unter Hans Stadlmair (2003).