„Regional geprägt – National verankert – International vernetzt“

Ein spektakuläres Autograf von Joachim Raff entdeckt

von | 29 Apr, 2021 | Zeitkapsel

Die Symphonien des Lachner Komponisten Joachim Raff erklangen im 19. Jahrhundert in aller Welt. Nun wird das momentan einzige bekannte Autograf einer Raff-Symphonie dank eines Autografensammlers ganz in der Nähe seines Geburtsortes Lachen bekannt. [UPDATE: Im Genfer Konservatorium finden sich zudem Autografe von der dritten und der siebten Symphonie – wir danken bestens für den Hinweis!]

Über die Beziehung zu einer Kulturschaffenden aus dem nahen Deutschland wurde dem Joachim-Raff-Archiv bekannt, dass ein bedeutender Autografensammler der Schweiz ein Musikautograf von Joachim Raff (1822-1882) besitzt – quasi vor Lachens Haustüre, in Wetzikon! Die sofortige Kontaktaufnahme mit dem Sammler ergab, dass dieser in der Tat ein Autograf von Joachim Raffs Symphonie Nr. 10 op. 213 mit der Überschrift «Zur Herbstzeit» besitzt. Gerne zeigte er sich dazu bereit, den Verantwortlichen diese einmalige, originale Handschrift zu zeigen und für die Herstellung eines Digitalisats zur Verfügung zu stellen, damit sie im Archiv für Forschungs- und Publikationszwecke genutzt werden kann. Der Sammler und Unternehmer Paul Ruppert verbrachte über vier Stunden mit dem ausgiebigen Studium der bereits in Lachen vorhandenen Sammlerstücke und war voll des Lobes über die sorgfältige, systematische und leidenschaftliche Arbeit im Joachim-Raff-Archiv.

Nach einer Bedenkfrist hat sich das Ehepaar Ruppert dazu entschlossen, das Autograf auf das Jubiläumsjahr 2022 hin, (200. Geburtstag von Joachim Raff) dem Joachim-Raff-Archiv als Schenkung zu übergeben. Diese überaus grosszügige Absicht, dieses auch wissenschaftlich sehr bedeutsamen Manuskripts an die Joachim-Raff-Gesellschaft zu schenken, kann nicht genug gewürdigt werden. Lachen kommt damit in Besitz eines absolut einmaligen Raff Autografen (siehe Box). Ruppert ersteigerte diese Handschrift in einer Auktion bei Sotheby’s in London vor etwa 20 Jahren. Scans dieses Manuskripts können ab sofort im Joachim-Raff-Archiv besichtigt werden (immer samstags zwischen 10:00-17:00 Uhr oder auf Anfrage). Tagtäglich sind die Verantwortlichen des Joachim-Raff-Archivs in Lachen mit Recherchen, Sammlungen, Auktionen und Antiquariaten weltweit beschäftigt, um nach Briefen, Notenmaterialien, Publikationen und sonstigen Fundstücken rund um Joachim Raff zu suchen, diese zu dokumentieren, zu signieren, zu archivieren und, wenn möglich, anzuschaffen (Archiv-Portal).

Autografe sind eigenhändig geschriebene Briefe oder Niederschriften von Werken durch den oder die Urheberin. Sie sind deshalb von höchstem Interesse für die musikwissenschaftliche Forschung, da sie ein bestimmtes Stadium in der Entstehung eines Werks dokumentieren und unter Umständen unklare Stellen einer allfälligen späteren (Druck-)Fassung in ein neues Licht rücken. So auch das Autograf von Raffs Symphonie Nr. 10 «Zur Herbstzeit», die Raff im Sommer und Herbst des Jahres 1879 komponierte. Es handelt sich dabei um ein Arbeitsmanuskript der ersten Fassung des Werks, das zahlreiche Korrekturen und Eintragungen von Raff und einer fremden Hand (wohl vom Dirigenten Louis Lüstner, der die Uraufführung im Jahre 1880 im Kurhaus Wiesbaden dirigierte) aufweist. Für die zweite Fassung ersetzte Raff den dritten Satz, der seiner Frau zu pathetisch schien, durch eine Neukomposition. Auch den Schluss des Finales überarbeitete Raff nochmals. Die ursprüngliche Fassung davon war bisher nicht bekannt – mit dem vorliegenden Manuskript wird diese Lücke geschlossen. Die Reinschriften von gedruckten Werken blieben in Raffs Fall meistens im Besitz des Verlages. Leider fielen zahlreiche Verlagsarchive den Turbulenzen des 20. Jahrhunderts zum Opfer und mit ihnen wohl auch ein grosser Teil von Raffs Reinschriften. Die meisten Arbeitsmanuskripte anderer Werke wird Raff hingegen verschenkt oder gar vernichtet haben. So kam es, dass das Manuskript von Herr Ruppert das momentan einzige bekannte Manuskript einer Raff-Symphonie überhaupt ist. In der heutigen Zeit gibt es leider kaum noch Autografen, weil das meiste mit elektronischen Datenträgern verfasst wird. Das Autograf übt eine besondere Wirkung auf Betrachtende aus. Es ist lebendiges Zeugnis des Verfassers und ermöglicht, in eine direkte Beziehung zu ihm und seinem Werk zu treten.

 

Der Autografensammler Paul Ruppert präsentiert dem Präsidenten der Joachim-Raff-Gesellschaft einen Teil seiner Autografensammlung u.a. von weltweit bedeutenden Komponisten. Joachim Raffs 10. Symphonie gehört dazu (Foto: Res Marty).

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